Ich hab’s schon wieder getan. Obwohl ich es längst besser wissen müsste – ich hab Rezensionen zu den von mir übersetzten Büchern gelesen. Und wurde nicht enttäuscht. Bei einem mit durchschnittlich viereinhalb Sternen bewerteten Buch findet sich folgender Kommentar: „was mich am meisten gestört hat war die viel zu fehlerhafte Rechtschreibung“ (Originalzitat). Was? In meinem Text? Dabei bin ich die nervige Rechtschreibfanatikerin, die noch heimlich die Rechtschreibfehler in den Aushängen der Kita korrigiert. Die nach den jeweiligen Rechtschreibreformen immer einen Kurs belegt hat, um sicherzugehen, dass ich auch alle Änderungen wirklich verstanden habe. Und obwohl ich meiner eigenen Rechtschreibung ziemlich vertraue, stehen hinter mir immer noch Lektorin und Korrektorin in der Bearbeitungsschlange. Alle drei haben wir so viele Fehler übersehen? Mein Tag ist gelaufen.
Übersetzen ist ein einsamer Beruf. Alle paar Monate taucht man ein in eine neue Welt, lernt neue Helden kennen, begleitet sie ein Stück. Und fällt nach dem Abschied in ein kleines Loch. Alle paar Monate wieder. Dazwischen liegen Abende, an denen man noch im Bett über eine clevere Entsprechung des englischen Wortspiels knobelt, wo man unter der Dusche den tollsten Einfall aller Zeiten hat und noch patschnass zum Notizbuch springt, aus Angst, ihn sonst noch vor dem Abtrocknen wieder zu vergessen. Wo man sich wie ein König über gelungene Passagen freut und manchmal wie im Rausch schreibt, wenn es läuft. Wo man die Kinder und Ehepartner zwingt, sich mit einem selbst darüber zu freuen, dass man alle möglichen Anspielungen auf Filme, Fernsehserien und Bücher spontan erkannt hat, obwohl der Familiensympathiebonus schon fast aufgebraucht ist. Übersetzerin – mein Traumberuf. Denn es gibt auch Rezensionen, in denen steht: „charmant und witzig geschrieben“, „tolles spannendes Buch in einem super Schreibstil“, „eine erfrischend gut geschriebene Geschichte“. Und obwohl ich weiß, dass die Rezensenten eigentlich den Autor meinen, freue ich mich, denn die deutschen Worte stammen von mir. Von mir, von mir! Ich hab das so flüssig und witzig geschrieben! Ohne Rechtschreibfehler!
Ich weiß, dass manche Autoren gar keine Rezensionen mehr lesen. Oder sich von ihren Agenten nur noch Auszüge aus den guten schicken lassen. Vielleicht sollte ich das auch mal probieren. Aber ich lese die Rezensionen ja nicht aus narzisstischen oder sado-masochistischen Gründen (wahlweise), sondern um ein Meinungsbild zu bekommen. Gefällt den Lesern, wie ich den Stil des Autors umgesetzt habe? Stören sie sich an bestimmten Ausdrücken, hängt die Geschichte irgendwo, wo ich eine Anspielung oder ein Wortspiel auflösen und neu basteln musste, um den Witz des Originals zu erhalten? Hab ich alle kleinen Logikfehler ausgemerzt, die sich noch im Ausgangstext versteckt hatten?
Liebe Leser und Rezensenten: Love your translator! Sie gibt sich viel Mühe für euch. Echt. Und manchmal ist vielleicht sogar nicht sie diejenige mit dem Rechtschreibproblem.
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