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Liebe Übersetzerin, bitte entscheiden Sie sich jetzt: You can now say you to me

(Heute aus: „Der Zufallsbräutigam“ von Denise Grover Swank)

Es ist soweit, wir starten unsere neue Blogrubrik! Zu Beginn sprechen wir über ein Thema, das praktisch in jeder Romanübersetzung ins Deutsche auftritt – der Übersetzer muss entscheiden, welche Personen sich siezen und welche sich duzen sollen und wo eventuell im Verlauf des Romans ein Wechsel stattfindet. Denn leider gibt es nirgendwo im englischsprachigen Roman die Stelle „You can now say you to me“.translate-110777_1920

Beim „Zufallsbräutigam“ lernt Megan im zweiten Kapitel Josh kennen und vertraut sich ihm an. Sie sitzen im Flugzeug. Da sie Fremde sind, siezen sie sich. Beim Verlassen des Flugzeugs wird Josh jedoch von ihren Eltern für Megans Verlobten gehalten. Im Englischen leicht, da „you“ ja sowohl eine formelle als auch eine informelle Anrede sein kann. Doch im Deutschen hätte das Siezen zu diesem Zeitpunkt schon die Geschichte ruiniert. Dass der Übergang auch noch zum nächsten Kapitel passen muss, in dem sich Megan an nichts erinnert, verkompliziert die Sache weiter. Also, liebe Übersetzerin: Bitte entscheiden Sie sich jetzt.

Ich hab Alkohol zu Hilfe genommen – nicht während des Übersetzens natürlich, sondern im Text. Megan steht in der Geschichte unter dem Einfluss von Tabletten und Alkohol (unbeabsichtigt, auch wenn das jetzt ein wenig drogensüchtig klingt). Und im beschwipsten Zustand wird man schon mal salopp. Hab ich gehört. Also hab ich mir ihren Zustand zunutze gemacht:

Er drehte sich zu der schlafenden Frau im Nachbarsitz um. „Megan.“

Sie rührte sich nicht.

„Megan“, sagte er lauter und berührte ihren Arm.

Diesmal reagierte sie, aber ihre Augen waren immer noch geschlossen. „Lass mich in Ruhe.“

„Megan.“ Er rüttelte sie. „Wir sind gelandet. Du musst aufwachen.“ Irgendwie kam es ihm ganz selbstverständlich vor, sie zu duzen. Außerdem hatte sie damit angefangen.

Oftmals muss man also einen oder zwei Sätze in den deutschen Text einfügen, die es so im Original nicht gab. Wie wir das bei Jana DeLeons „Mordsmäßig schön“ gelöst haben und welche generellen Signalpunkte es dafür gibt, wer wen wie anspricht, verraten wir euch im nächsten Beitrag zu „Liebe Übersetzerin, bitte entscheiden Sie sich jetzt.“

Habt ihr schon mal ein Buch gelesen, wo ihr den Übergang vom Sie zum Du völlig unlogisch fandet oder euch die Ebene der Anrede beim Lesen gestört hat?

 

 

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