Wer mir auf Facebook oder Instagram folgt, weiß, dass ich dieses Jahr zum dritten Mal an der Writers’ Police Academy teilgenommen habe. Writers’ Police Academy? Was ist das, wo ist das und wer braucht das eigentlich? Dazu hat mich mich vor einigen Jahren schon einmal Chefredakteurin Michaela Pelz vom Krimi-Forum interviewt. Freundlicherweise hat sie mir erlaubt, hier einige Abschnitte aus unserem Gespräch zu zitieren. Das komplette Interview findet ihr hier: Interview zur Writers’ Police Academy. Dort verrate ich zum Beispiel auch, welche Klischees über die Beziehungen von Cops der Wahrheit entsprechen und was es bei Durchsuchungsbeschlüssen zu beachten gilt. 🙂
Jeannette, worum handelt es sich bei dieser „Akademie“?
Die „Writers’ Police Academy“ (WPA) wurde 2009 von Lee Lofland gegründet, einem ehemaligen Detective und Polizeiausbilder. Auslöser waren die vielen Fehler, die Lee beim Lesen von Krimis immer störten – ganz offensichtlich hatten die Autoren ihre Hausaufgaben nicht gemacht, wenn es um Blutspritzer, Patronenhülsen oder auch die verschiedenen Arten von Gesetzeshütern und deren Zuständigkeiten ging.
Da hatte Lee die Idee, genau da anzusetzen und ihnen zu zeigen, wie man solche Fehler vermeidet. Die Geburtsstunde der Writers‘ Police Academy! Und er hat tolle Dozenten für sein Projekt gefunden.
Die Academy findet einmal jährlich statt und ist gerade in ein größeres Ausbildungszentrum nach Wisconsin umgezogen.
Wann warst du das erste Mal dabei?
Im September 2014. Das habe ich mir selbst zum Geburststag geschenkt.
Wie bist du darauf aufmerksam geworden?
Eigentlich war das ein Zufallsfund. Ich lerne gerne dazu und bin immer auf der Suche nach interessanten Weiterbildungen. Um mein „Reisejahr“ besser planen zu können, hab ich im Internet nach interessanten Fortbildungen für Krimiautoren gesucht.
Damals war die Police Academy 2013 gerade vorbei und ich tieftraurig, dass ich so etwas Tolles verpasst hatte. Also hab ich mich gleich für den Newsletter angemeldet und dann mit Argusaugen beobachtet, wann es Neuigkeiten über die Veranstaltung im Folgejahr gibt.
An welche Zielgruppe richtet sich die Veranstaltung genau?
An Krimiautoren. Da ich eigentlich keine Schriftstellerin bin, habe ich Lee Lofland kurzerhand angeschrieben, ob auch Übersetzer teilnehmen dürften. Er war zwar etwas verblüfft, hat mich aber herzlich eingeladen. Und herzliche Einladungen schlage ich selten aus.
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Zurück zur aktuellen Academy 2018 . Welche Workshops habe ich dieses Jahr besucht, und was habe ich daraus mitgenommen?
Tag 1:
“Shoot/Don’t shoot Firearms Simulator”
Ein sogenanntes Schießkino, in dem verschiedene Notrufsituationen für Polizisten mit interaktiven Videos trainiert
werden. Auf einer 180-Grad-Leinwand laufen dabei verschiedenen Szenarien ab und man muss sich gut überlegen, wie man reagiert. Wir waren alle mit speziell präparierten Pistolen bewaffnet und zu jedem Zeitpunkt wurde aufgezeichnet, wer wohin zielte oder schoss. Anschließend gab es eine Auswertung. Mein Partner hatte übrigens alles im Griff. 🙂
Man kann sich kaum vorstellen,wie viel Adrenalin in einer solchen Situation fließt, und dabei war ich gar nicht im richtigen Einsatz! Seit meiner ersten Simulation 2014 kann ich besser verstehen, warum es unter Hochdruck auch zu Fehlentscheidungen kommen kann.
The Wonderful World of Crime Scene Evidence – Blood, Impression Evidence, and the Little Things that Matter
Die Mitarbeiter der Firma Sirchie, die viele Materialien zur Beweismittelsicherung herstellt, zeigten uns anhand neuester Entwicklungen, wie man Fingerabdrücke nimmt, Schuhabdrücke gießt, Reifenspuren liest und Blut am Tatort nachweist. Was man halt so abends zwischen 20 Uhr und 23 Uhr macht.
Tag 2:
Truth or Lies: The Art of Interrogation
Von Verhörspezialist Paul Bishop, einem ehemaligen Detective aus Los Angeles, hatte ich schon viel Gutes gehört. Und ich muss sagen – zu recht. In einem sehr interessanten Workshop zeigte uns Bishop, welche Details bei einem Verhör über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, und natürlich wurden auch prominente Beispiele analysiert, z.B. der Fall O.J. Simpson.
Gut zu wissen: In echten Polizeirevieren gibt es keine Einwegspiegel.
Advanced Fingerprinting Techniques
Ja ja, diese Jahr stand für mich alles im Zeichen von Fingerabdrücken. Witzigerweise hatte ich dazu im Vorjahr auch schon einen Kurs beim FBI in New York besucht. Spannender Kurs, bei dem ich noch einmal hinzulernen konnte.
Gut zu wissen: Es gibt keine identischen Fingerabdrücke, auch nicht bei Zwillingen.
Blood Stain Pattern/Spatter Investigation
Auch eine Wiederholungsklasse für mich, aber dennoch wieder mit neuen Erkenntnissen. Was man halt so lernt, wenn der Lehrer mit einer Baseballkeule auf einen Wachsschädel einschlägt, bis Blut spritzt. Auch hier wurden wieder Fälle besprochen, bei denen die Blutspritzer tatsächlich zur Aufklärung beitrugen. Interessanterweise berief sich der Ausbilder dabei auf einen Fall, über den ich erst vor Kurzem für eine Übersetzung recherchiert hatte. Ich hatte die Fakten noch parat und konnte daher besonders viel aus diesem Kurs mitnehmen.
Gut zu wissen: Auch wenn es im Fernsehen anders wirkt, es werden weniger Fälle durch forensische Beweise gelöst als durch gute, altmodische Ermittlungsarbeit und Befragungen.
Cop Killers
In diesem Kurs ging es um die Frage, warum die Situation zwischen Polizei und Bevölkerung in den USA derzeit so angespannt ist wie nie, und warum Polizisten sogar in Hinterhalte gelockt werden. Wir haben uns in diesem Kurs Videos aus der sogenannten Dashcam von Polizisten angeschaut, auf denen man sieht, wie sie erschossen werden. Keine leichte Kost.
Schockierend zu wissen: Alle 53 Stunden stirbt in den USA ein Polizist.
Using Art to Solve Crime
Ich hatte den Vortrag von Carrie Stuart Parks schon letztes Jahr einmal beim Thrillerfest in New York gehört, aber ich war trotzdem wieder genauso begeistert. Ein Gesicht nach Zeugenangaben zu zeichnen oder anhand des Schädels zu rekonstruieren, das ist unheimlich beeindruckend. Gut gefällt mir auch immer der Teil, in dem Zeugenaussagen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft werden. Ich kenne mich jetzt aus. Ihr seid alle gewarnt!
Gut zu wissen: Everybody lies. Und das Wort Forensik stammt von der Bezeichnung Forum Romanum ab. Wer hätte das gedacht.
Tag 3:
Microscopic Murders
Ich mag die Workshops von Mikrobiologin Dr. Denene Lofland sehr. Sie hat die Gabe, komplizierte Prozesse verständlich zu vermitteln. Von ihr habe ich vor einigen Jahren eine Menge über Anthrax gelernt. Diese Jahr hat sie uns eine Reihe ungewöhnlicher Todesfälle präsentiert und wir mussten anhand der Fakten raten, ob es sich um einen natürlichen Tod, Mord oder einen Unfall handelt. Einiges war recht eklig, aber alles war sehr interessant.
Gut zu wissen: Keine Spaghetti essen, die fünf Tage lang nicht im Kühlschrank standen, egal, wie essbar sie noch aussehen. Die bringen dich um.
Force on Force
Auch diese Klasse hatte ich tatsächlich vor zwei Jahren schon einmal besucht, aber ich finde es spannend zu sehen,
wie sich alles weiterentwickelt. Force on Force ist eine Mischung aus Unterricht und Simulation. Im theoretischen Teil haben wir besprochen, wie man im Falle eines Angriffs reagieren sollte. Anschließend folgte die praktische Übung. Zuerst werden die Teilnehmer im Umgang mit den Übungswaffen geschult, dann erfolgt eine simulierte Geiselbefreiung in einem Haus. Um die Stresssituation einigermaßen realistisch zu simulieren, drängt der Ausbilder ständig auf Zeit und Tempo. Kein Zuckerlecken! Mit Einverständnis der Writers’ Police Academy hab ich hier eine Audiodatei hochgeladen, anhand der ihr euch selbst ein Bild machen könnt.
Gut zu wissen: “Preparation makes the difference between a warrior and a worrier.”
Behavioral Clues at Crime Scenes
Was verraten uns Tatorte? Wie belasten sich Täter häufig selbst? Worauf man bei Ermittlungen achten muss, erklärte uns Dr. Katherine Ramsland, die hauptsächlich für ihre Studien zu Serienmördern bekannt ist. Wir sprachen verschiedene Fälle durch und analysierten, wo die Verbrecher die entscheidenden Fehler gemacht hatten. In den USA werden inzwischen sogar die Notrufe an die Rettungsstelle auf belastende Hinweise untersucht. Ein ganz neues Tätigkeitfeld!
Gut zu wissen: Einen vorgetäuschten Tod nennt man Pseudozid.
PTSD
Ich wollte mir einmal genau erklären lassen, was es mit dem posttraumatischen Belastungssyndrom auf sich hat. Special Agent Mike Roche vom Secret Service hat uns dann auch ausführlich erläutert, wie die Symptome aussehen und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Gut zu wissen: PTSD entsteht nicht nur durch ein einzelnes traumatisches Ereignis, sondern kann auch durch die Summe mehrerer kleiner Vorkommnisse ausgelöst werden.
Abends fand dann noch das Bankett mit dem Ehrengast Jeffery Deaver statt, und am Sonntag gab es noch eine mehrstündige Fragestunde mit den Ausbildern.
Insgesamt war es wieder eine super lehrreiche Veranstaltung für mich!
Und für alle, die sich für die Geschichte hinter meinen Namensschildern interessieren:
Als ich am ersten Tag der WPA 2014 mein Namensschild bekam, war in meinem Vornamen ein „n“ zu viel – „Jeannnette“ statt „Jeannette“. Man versprach mir, das zu korrigieren.
Am nächsten Tag bekam ich dann tatsächlich ein neues Namensschild, nämlich das hier:
Wie viele Leute mich darauf angesprochen haben, weiß ich gar nicht mehr. Michael Connelly war jedenfalls ausreichend verwirrt, als er mir ein Buch signieren wollte und wegen der Schreibweise meines Namens auf mein Schild geschielt hat.
Seither sind meine Namensschilder eine Art Running Gag auf der WPA. Bei meiner zweiten Teilnahme 2016 bekam ich das hier verpasst:
Und dieses Jahr dann dieses hier:
(Und ja, ich bringe immer Schokolade aus Deutschland mit. :-)).
Bis zum nächsten Jahr, Writers’ Police Academy!
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