Da ich schon lange nichts mehr zum Übersetzen gepostet habe, habe ich mich entschieden, den #FrageFreitag einzuführen. Immer freitags beantworte ich Fragen rund um meinen Beruf, die mir entweder hier oder in den sozialen Medien (Facebook, Instagram) gestellt werden.
Los geht’s!
Frage Nummer 1 von Verena:
Bist Du beim Übersetzen versucht, den Inhalt zu ändern wenn Du ihn anders besser fändest?
Nein. Das ist nicht meine Aufgabe. Achtung, jetzt wird’s ein bisschen poetisch. 🙂 Wenn ich ein Buch übersetze, verspreche ich dem Autor immer, dass ich mich darum kümmere wie eine Gastmutter um ein Austauschkind, damit er sein Baby beruhigt ins Ausland schicken kann. Ich würde mir niemals anmaßen, in die Geschichte eines Autors einzugreifen. Wenn ein Buch zum Übersetzen kommt, sind alle diese Arbeitsphasen normalerweise längst abgeschlossen – es wurde geschrieben, lektoriert, überarbeitet, korrigiert. Meine Aufgabe ist es nun, dem deutschen Leser dieselbe Leseerfahrung zu ermöglichen wie dem Leser der Originalfassung, nicht mehr und nicht weniger.
Natürlich greife ich manchmal sanft ein, wenn sich kleine Logikfehler einschleichen, wie zum Beispiel ein falscher Name, oder ein Haus steht einmal auf der linken Straßenseite und dann wieder auf der rechten. Aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen, in einem Krimi den Täter zu ändern. 🙂
Frage Nummer 2 von Stefanie:
Was ich mir schlimm vorstelle ist, wenn man ein Buch übersetzen soll, welches einem so gar nicht gefällt. Hattest du das schon mal?
Hm, wie beantworte ich das jetzt am besten? 😉 Ich sage es mal so, es ist immer von Vorteil, wenn man mag, was man tut, das gilt fürs Übersetzen genau wie für jeden anderen Beruf. Aber ja, es ist schon mal passiert, dass ich voller Elan an eine Übersetzung herangegangen bin, weil ich nur ins Manuskript hineingelesen hatte, und es sich später als völlig anders als erwartet entpuppt hat. Daraus lernt man.
Ich empfehle immer, nichts zu übersetzen, was man selbst nicht auch gern lesen würde. Das hat mehrere Gründe: Zum einen werden drei Monate (oder wie lange man auch immer fürs Übersetzen des Buches braucht) seeeeehr lang, wenn man sich jeden Morgen an ein Buch setzen muss, das man nicht mag. Zum anderen kann man einfach nicht dieselbe kreative Leistung erbringen wie bei einem Buch, das einem nur so aus den Fingern fließt. Zumindest ist das meine Erfahrung. Und ich rate auch immer davon ab, in einem Genre zu übersetzen, für das man selbst nichts übrig hat. Wer privat keine Liebesromane liest, sollte keine übersetzen. Man kennt sonst weder die Lesererwartungen noch die übliche Terminologie, und beides ist man einer guten Übersetzung schuldig.
Frage Nummer 3 von Stefanie:
Wie trittst du mit den Autoren in Kontakt? Schreiben sie dich an oder gibt ein Portal, in dem Übersetzer und Autoren zusammenfinden?
Das kommt darauf an. Handelt es sich um eine Übersetzung für einen Verlag, meldet sich der Verlag in aller Regel bei mir und fragt, ob ich Zeit für und Lust auf das Projekt habe. Dann lese ich erst mal das Manuskript und überprüfe meinen Zeitplan.
Wenn ich für Autoren direkt übersetze, meldet sich auch normalerweise der Autor bei mir. Meistens hat mich dann jemand als Übersetzerin empfohlen. Es gibt auch Portale, wo Selfpublisher und Übersetzer zusammenfinden können, aber die habe ich noch nie genutzt.
Wenn ich ein Buch wirklich, wirklich toll finde, nehme ich tatsächlich auch schon mal Kontakt zum Autor auf und frage, ob er die Lizenz für die deutsche Übersetzung verkauft hat oder ob er daran interessiert wäre, das Buch ins Deutsche übersetzen zu lassen. Das sind aber wirklich Ausnahmen.
Frage Nummer 4 von Sandra:
Kann der Übersetzer auch Kontakt zum Autor aufnehmen? Zum Beispiel, um die Übersetzung von Witzen und Sprichwörtern abzuklären?
Bis auf ganz wenige Fälle, wo der Verlag vielleicht etwas dagegen haben könnte, oder wo der Autor so ein Superstar ist, dass man praktisch nicht an ihn herankommt, kann ich eigentlich immer Kontakt zum Autor aufnehmen. Meistens tue ich das auch – in Zeiten von Social Media ja überhaupt kein Problem mehr. Autoren haben in der Regel auch eine Website mit einer Kontaktadresse. Wenn es irgendwie möglich ist, treffe ich „meine“ Autoren auch gern einmal persönlich. So hat zum Beispiel der Loewe Verlag 2014 organsiert, dass ich die Autorin Jenny McLachlan in ihrem Heimatort Eastbourne treffen konnte, wo ich mich zufällig gerade für einen Englischkurs aufgehalten habe.
Bei einer Übersetzung tauchen tatsächlich häufig Fragen auf, für die man am besten mit dem Autor Rücksprache hält. Niemand liest ein Buch so gründlich wie der Übersetzer, der es überträgt. Große Eingriffe in den Text lasse ich mir immer absegnen. So mussten wir bei Denise Grover Swanks Buch „Der Zufallsbräutigam“ den Spitznamen der Brautmutter ändern, weil der für den deutschen Leser überhaupt keinen Sinn ergeben hat. Bei Sprichwörtern und Witzen hingegen bin ich recht frei, es sei denn, ich habe den Witz oder das Sprichwort nicht verstanden, dann frage ich nach. Aber bei der Entscheidung, wie ich das auf Deutsch ausdrücke, was der Autor da auf Englisch sagt, kann er mir in der Regel nicht helfen. Dafür müsste er ja beide Sprachen beherrschen. Aber wenn ich meine Zweifel bezüglich bestimmter Fakten habe oder mir Unstimmigkeiten im Zeitablauf oder bei der Handlung auffallen, dann besprechen wir das schon. Manchmal kommt es auch vor, dass Autoren nach Hinweisen von Übersetzern noch Änderungen im Originaltext vornehmen, wenn ihnen auffällt, dass sie da tatsächlich einen Fehler gemacht haben.
Frage Nummer 5 von Sandra:
Wie viel von deinem Schreibstil fließt in die Bücher ein? Übersetzt du wortgetreu oder kannst du manches in deinen Worten sagen?
Wortgetreu übersetzen wir eigentlich nicht, eher werkgetreu. In der Fachsprache heißt das Wirkungsäquivalenz: der deutsche Text muss beim Leser genau dieselben Reaktionen hervorrufen wie der englische. Mit welchen Mitteln wir das erreichen, ist ein bisschen Ermessenssache. Aber natürlich muss man sich an stilistische Vorgaben des Autors halten. Ist der Text auf Englisch locker-flockig, muss er das auf Deutsch selbstverständlich auch sein. Es lässt sich nicht vermeiden, dass der deutsche Text immer eine Kombination aus der Erzählstimme des Autors und meiner Übersetzererzählstimme ist – ich bin ja praktisch die deutsche Stimme des Autors. Allzu dominant sollte man mich jedoch nicht heraushören können, dann hätte ich meine Arbeit nicht gut gemacht. Meiner eigenen Erzählstimme am ähnlichsten ist eigentlich die Miss-Fortune-Reihe. Die passt sprachlich zu mir wie die Faust aufs Auge.
3 Comments
Stefanie_booksweetbook
Mai 17, 2019 at 3:40 pmDanke für die schnelle Beantwortung meiner Frage. Da freut es mich, dass es wohl nur selten vorkommt, dass dir ein Buch nicht zusagt welches du übersetzen solltest. Da stellt sich mir direkt eine neue Frage. Wie trittst du mit den Autoren in Kontakt? Schreiben sie dich an oder gibt ein Portal, in dem Übersetzer und Autoren zusammenfinden?
Jeannette
Mai 17, 2019 at 3:47 pmIch achte sehr darauf, dass ein Buch zu mir passt, bevor ich die Übersetzung übernehme. Das ist wichtig, weil man sich beim Schreiben nicht wirklich verstellen kann. Und bis auf die eine Ausnahme hat es auch immer gut funktioniert. 🙂 Deine zweite Frage nehme ich mit in die nächste Woche, wenn ich darf?
Stefanie_booksweetbook
Mai 17, 2019 at 4:25 pmSelbstverständlich darfst du meine Frage mit in die nächste Woche nehmen. Ich bin sehr auf die Antwort gespannt.