Wenn dir als großer Fan von “Bones — die Knochenjägerin” plötzlich der Serienerfinder und Showrunner Hart Hanson über den Weg läuft, dann musst du schnell reagieren … Und wenn besagter Autor auch noch supernett ist, dann kommt dabei ein spontanes Interview heraus.
So geschehen beim diesjährigen ThrillerFest in New York, wo sich Hart Hanson meinen Fragen stellte. Weil ich sehr neugierig bin und er viel zu erzählen hatte, ist es recht lang geworden. Daher poste ich Teil I heute und Teil II morgen.
Ich hoffe, ihr habt beim Lesen genauso viel Spaß wie ich im Gespräch hatte. Und damit ihr seht, wie lustig es mit ihm war, hier noch ein Foto von uns. Wer dauernd lacht, bekommt eben auch keine scharfe Aufnahme hin. Wie Hart Hanson wirklich aussieht, könnt ihr auf seiner Facebook-Seite sehen: https://www.facebook.com/HartHansonBookWriter/
Und jetzt geht’s los. Viel Spaß.
Jeannette
- Welche Funktion haben Sie bei „Bones – die Knochenjägerin“ am liebsten ausgeübt? Autor, Showrunner oder etwas ganz anderes?
Autor. Showrunner und Show Creator bin ich geworden, damit ich auch weiterhin Drehbücher schreiben konnte. Hat man erst einmal ein bestimmtes Alter erreicht, muss man eine bestimmte Karrierestufe erklommen haben, sonst bekommt man weniger Aufträge. Das ist einfach so. Ich weiß noch, als ich damals von Kanada nach Los Angeles kam, war ich 39 Jahre alt. Mein Agent sagte zu mir, hier unten musst du noch vor deinem vierzigsten Geburtstag Co-Executive Producer sein, sonst fragen sich die Leute, warum du es nicht geschafft hast. Zum Glück hat das bei mir funktioniert. Auf diese Weise konnte ich auch weiterhin Drehbücher verfassen, denn das macht mir am meisten Spaß. Aber: Wenn man eine Serie dreht und die richtigen Leute und großartige Schauspieler um sich hat, dann ist das eine tolle Angelegenheit. Man ist unter kreativen Leuten, die alle gemeinsam etwas schaffen, und das hat sich als viel besser herausgestellt, als ich erwartet hatte. Trotzdem hat mir das Schreiben immer noch am meisten Spaß gemacht.
- Welche Frage über die Serie hat man Ihnen im Lauf der Jahre am häufigsten gestellt?
Oh. Das ist eine gute Frage. Die hier jedenfalls nicht. Da schwanke ich zwischen „Wie haben Sie sich so solide wissenschaftliche Kenntnisse angeeignet, um die Serie zu schreiben?“ und wie früh wurde mir klar, dass die Beziehung zwischen den Hauptfiguren so wichtig für die Serie werden würde. Ich glaube, die zweite Frage wurde mir am häufigsten gestellt, je länger die Serie lief.
- Und welche Frage wurde Ihnen nie gestellt, aber Sie wünschen sich, es hätte mal jemand getan?
Das wäre die Frage, bei der die Antwort den Leuten mehr Wertschätzung und Anerkennung zukommen ließe, die hinter den Kulissen dafür gesorgt haben, dass alles reibungslos läuft. Während meiner Zeit bei Bones wurde der Showrunner zu einer viel bekannteren Position als in meiner Anfangszeit. Damals gab es zwar einige Superstars wie David Kelley [Anm. d. Red.: Showrunner vieler sehr erfolgreicher Serien wie L.A. Law, Chicago Hope und Ally McBeal] und allmählich wussten die Zuschauer, wer der Kopf hinter den Serien war.
Aber das war damals ein Trend und hatte nichts mit Ihnen zu tun, richtig?
Ich bezweifle, dass ich der Auslöser dafür war (lacht). Vermutlich hatte es eher mit Social Media und den ganzen Veränderungen zu tun. Plötzlich erkannten die Zuschauer den Showrunner als den Autor einer Serie. Ich war damals auch in einem Dokumentarfilm über Showrunner teil. Er hieß: Show Runner. Doch je länger die Serie lief, desto schuldiger fühlte ich mich. Zweihundert Leute sind daran beteiligt. Da gibt es Abteilungsleiter, die Kameraleute, den Herstellungsleiter, die Regieleitung, die Castingabteilung, die Kostümbildner — die Menschen, die dafür sorgen, dass alles läuft wie eine gut geölte Maschine. Sie werden von der Öffentlichkeit einfach nicht genügend geschätzt. Wir sind gelaufen wie ein Schweizer Uhrwerk. Ich werde nicht gefragt, wie wir das geschafft haben, wie Bones zur am besten laufenden Fernsehshow geworden ist. Es hatte überhaupt nichts mit dem Showrunner zu tun, sondern mit den Profis hinter den Kulissen. Das ist zwar nicht aufregend und sexy, aber diese Leute sind echt gut in ihren Jobs. Ich hätte nichts dagegen gehabt, öfter nach ihnen gefragt zu werden.
Sie sind übrigens die Erste, die mich das je gefragt hat.
- Dafür haben Sie die nächste Frage vermutlich schon eine Million Mal gehört. Wie ist Ihnen jede Woche ein neuer interessanter Mord eingefallen? Ich weiß, dass Sie nicht jede Folge selbst geschrieben haben, die Serie hatte auch andere Autoren. Aber es konnte schließlich nicht einfach irgendein Mord sein, es musste etwas mit forensischer Anthropologie zu tun haben und interessant sein.
Ich tue das zwar nur ungern, aber der Verdienst gebührt einem Mann aus der Vorstandsetage beim Fernsehsender Fox, dessen Name mir leider entfallen ist. Wenn man eine Serie entwickelt, filmt man eine Pilotfolge und erklärt, welche Richtung man einschlagen will. Man engagiert Autoren für den Writers‘ Room und hat dann einen Haufen kreative Menschen da sitzen. Und dieser Mann hat zu mir gesagt: „Wir sollten jede Folge mit dem Auffinden von menschlichen Überresten beginnen, bei denen sich der Zuschauer fragt – was zum Teufel ist hier passiert?“ Wenn jemand einfach nur mit einem Messer in der Brust daliegt, dann passt das irgendwie nicht zum abgedrehten Ton unserer Serie. Also mussten wir uns bei unseren Mordfällen fragen, warum würde man eine forensische Anthropologin brauchen, um sie zu lösen? Diese rätselhaften Todesfälle tragen einen Großteil zum Ton der Show bei. Wir konzentrieren uns alle darauf, was da womöglich passiert sein könnte. Die reale Welt liefert da eine Menge Ausgangspunkte. Bei einigen Folgen merkten die Zuschauer, aha, das hier ist eine abgewandelte Version von aktuellen Ereignissen. In unserem Writers‘ Room haben wir mit acht Autoren ungefähr einhundert Szenarien pro Jahr entworfen, von denen es 22 in die Serie geschafft haben.
- Also haben Sie sich zuerst einen Mord überlegt und sich dann gefragt, wie können wir ihn mithilfe der Wissenschaft aufklären?
Ja. Ich habe die Autoren schon recht früh gebeten, mir ihre Mordszenarien aus der Sicht des Mörders zu schildern, weil das Motiv Sinn ergeben muss. Dass jemand ein Opfer irgendwo im Wald tötet und dann in ein Haus unter einen Fahrstuhl schleppt, nur damit wir einen schönen Aufhänger für den wissenschaftlichen Ansatz haben, ergibt keinen Sinn. Das hat einen großen Unterschied ausgemacht. Dabei konnten wir von überall her Ideen beziehen. Normalerweise pitcht man ein Umfeld, eine Arena. Jemand sagt zum Beispiel, lasst uns mal einen Mord im NASCAR-Umfeld ansiedeln, oder in der Oper. Ungefähr bei der Hälfte der Vorschläge hatten wir zuerst den Ort. Manchmal mussten wir diese Ideen jedoch immer weiter hinausschieben, weil wir keine gute Folge dafür hatten. Kennen Sie die Reality-TV-Serie Jersey Shore? Die war damals ein Phänomen. Wir wollten gerne etwas in dieser Welt filmen, aber wir hatten jahrelang keine gute Storyidee für das Konzept. Und plötzlich hatte jemand die zündende Idee. Genauso war es bei der 9/11-Folge. Es hat sehr lange gedauert, bis wir dafür das richtige Drehbuch hatten, denn es sollte gleichzeitig berührend und witzig sein. Und plötzlich hatte jemand den zündenden Gedanken, es könnte doch eine Leiche zu viel im Pentagon gegeben haben, denn über das Pentagon wurde im Fernsehen viel weniger berichtet als über die Zwillingstürme, und so haben wir es auch gedreht. Und ich glaube, ich habe diese Frage viel zu ausführlich beantwortet.
- Haben Sie eine Lieblingsfolge?
Das hätte ich vorhin erwähnen sollen, als Sie mich gefragt haben, was die Leute am häufigsten von mir wissen möchten. Meine Lieblingsfolgen sind immer die etwas schrägen. In Staffel eins hatten wir eine Weihnachtsfolge, bei der alle im Labor eingeschlossen wurden. Das war eine abgefahrene Episode, die habe ich sehr gemocht. Dann hatten wir noch eine, die komplett aus der Sicht eines Schädels erzählt wurde, aus dem Blickwinkel des Opfers. Ich weiß nicht mehr genau, in welcher Staffel das war, aber die Folge beginnt damit, dass wir sehen, wie Dreck zur Seite gewischt wird und dann beugt sich Brennan über den Schädel. Wir sehen das durch die Augenhöhlen. Das war extrem schwierig zu filmen, weil wir so tun mussten, als befände sich die Kamera im Schädel.
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Interview mit Autor Hart Hanson, Teil II | Aus Indie Translations wird READ & EAT!
September 19, 2017 at 8:37 am[…] « Interview mit Autor Hart Hanson, Teil I […]