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Interview mit “Bones”-Erfinder Hart Hanson, Teil II

Im zweiten Teil meines Gesprächs mit Hart Hanson dreht sich alles um den Unterschied zwischen Schreiben fürs Fernsehen und dem Schreiben eines Romans sowie um sein kleines, gelbes Buch.

Teil 1 des Interviews findet ihr hier. Viel Spaß!

 

  1. Sie haben die Serie in Staffel 9 verlassen, ist das richtig?

Mit der Zeitabfolge habe ich so meine Probleme. Es war so, ich habe eine Serie namens The Finder entwickelt, also war ich eine Zeitlang fort und kam dann wieder. Dann wurde meine neue Serie Backstrom verfilmt, und ich ging fort und kam wieder. Bei meiner Rückkehr fand ich, dass das ziemlich unfair meiner rechten Hand Stephen Nathan gegenüber war. Jedes Jahr übergab ich ihm die Zügel, ging fort und kehrte dann zurück. Wir sind ziemlich gut befreundet, daher habe ich ihm gesagt: „Hör zu, ich sag dir zwar, was ich denke, aber du hast das letzte Wort.“ Während der letzten beiden Staffeln habe ich den Showrunnern also immer nur zugerufen, hier, das würde ich so und so machen. Während dieser Zeit habe hatte ich mit dem Tagesgeschäft der Serie gar nichts mehr zu tun, und davor auch nur noch begrenzt. Also scheint das tatsächlich Staffel 9 gewesen zu sein.

 

  1. Ja, ich hatte das nachgeschlagen. Es ist eigentlich mehr die Einleitung zu meiner nächsten Frage. Sie waren also für 8 komplette Staffeln Bones verantwortlich. Wie hat sich Ihr persönlicher Schreibstil im Lauf dieser Zeit verändert? Das Format blieb ja dasselbe und gab Ihnen zum Beispiel nicht die Möglichkeit wie einem Romanautor, mal längere und mal kürzere Bücher zu schreiben. Inwiefern hatte das Einfluss auf Ihren Schreibstil?

Bei einem Procedural oder einer lange laufenden Serie ist es immer schwierig, alle Erwartungen zu erfüllen. Wie erfüllt man die Erwartungen des Publikums, ohne schablonenhaft oder berechenbar zu werden? Ich glaube nämlich, dass wir nie vorhersehbar wurden. Es gab Elemente, die die Zuschauer von uns erwartet haben. Ich weiß noch, dass mal jemand zu mir sagte, bei uns wäre der Mörder immer die dritte Person, die auftritt. Also ging ich in den Writers‘ Room und habe die Autoren gebeten: „Lasst uns mal nachschauen, ob das stimmt.“ Es stimmte nicht. Aber jemand hatte genau diesen Eindruck gewonnen. Und dann gibt es da die unausgesprochene Abmachung mit dem Publikum, den Mörder nicht erst im letzten Akt einzuführen. Es muss jemand sein, dem sie schon mal begegnet sind. Man hinterfragt sich also permanent selbst, je länger so eine Serie läuft – hatten wir das schon mal, hatten wir dieses Motiv schon mal? Denn genau genommen gibt es gar nicht so viele verschiedene Mordmotive, und interessant müssen sie auch noch sein.

Außerdem trifft man noch eine unausgesprochene Vereinbarung mit seinen Hauptdarstellern. In den späteren Staffeln bekommen sie ein bisschen weniger zu tun. Denn diese Schauspieler müssen richtig viel arbeiten, und dabei auch noch gut aussehen und sich Texte merken. Da kommen locker 80-Stunden-Wochen zusammen. Natürlich werden sie gut bezahlt und am Set auch ein wenig verwöhnt, was Essen und andere Dinge angeht, aber das liegt daran, dass sie echt schuften müssen. Also versucht man, sie ein wenig zu entlasten, ohne dass die Serie darunter leidet, was bedeutet, dass die Nebendarsteller mehr in den Fokus rücken. Und wir hatten tolle Nebendarsteller! Also schreibt man denen Folgen auf den Leib, und das frischt auch das Interesse wieder auf.

 

Interessant! Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen. Ich werde zukünftig besser darauf achten.

Ja, wir versuchen, es nicht allzu offensichtlich zu machen.

 

Eigentlich bezog sich meine Frage mehr auf Ihren persönlichen Schreibstil. Haben Sie den Eindruck, dass auch der sich geändert hat? Nicht im Rahmen der Show, sondern die Dinge, die Sie geschrieben haben?

Ach, ich verstehe. Das ist eine gute Frage, denn man unterliegt ja den Beschränkungen des Serienformats.

 

Genau.

Man muss versuchen, sein Interesse aufrechtzuerhalten. Wir haben schräge Episoden gefilmt und man wird besser, aber auf einer kleinen Skala, wenn Sie verstehen, was ich meine.

 

Viel Spielraum gibt es nicht, oder?

Nein, nicht wirklich. Wir hatten ziemliches Glück, dass unsere Serie sowieso schon eine große Bandbreite an Grundton abgedeckt hat. Es sind einige lustige Folgen und einige traurige Folgen dabei; deshalb bin ich ja davon überzeugt, dass wir nicht vorhersehbar waren. Ich muss sagen, dass ist auch wieder eine wirklich gute Frage …

Ich sag es mal so. Auf meinem Rechner gibt es eine Datei, die ich die „Tonne“ nenne. Dort speichere ich meine Ideen ab. Immer mehr von ihnen mussten dort drin bleiben, weil sie einfach nicht zu Bones gepasst haben. Das Buch war eine meiner „Tonnenideen“, und andere Serien auch, wo diese Einfälle hingepasst haben. Aber diese Datei auf meinem Rechner wurde immer größer, und ich glaube, das ist die Folge dessen, worauf Sie mit Ihrer Frage abzielen. Ich werde oft gefragt, ob es mir sehr schwer gefallen ist, Bones in Staffel 9 zu verlassen. Die Antwort ist sowohl Ja als auch Nein. Ja, weil es mein Baby ist und ich meine Kollegen wirklich sehr mochte. Die Schauspieler waren toll. Aber ich habe auch gemerkt, dass mir die Begeisterung für diese Grundidee allmählich abhanden kam und es an der Zeit war, dass jemand mit mehr Enthusiasmus und einem frischen Ansatz übernahm.

 

  1. Kommen wir zu Ihrem Buch. Inwiefern unterscheiden sich Fernsehen und Roman beim Schreiben?

Darüber habe ich gerade neulich einen Artikel geschrieben, denn der Unterschied ist gewaltig. Wenn in einem Drehbuch steht, dass jemand ein Hipster ist, dann kümmern sich Profis darum, dass diese Person wie ein Hipster aussieht. Wenn du schreibst, „sie kämpfen“, dann übernehmen Profis wie Stuntmen und Choreografen diesen Kampf. Bei Sexszenen ist es genauso. All die Leute, über die ich vorhin gesprochen habe. Im Buch kann ich nicht einfach schreiben: „Sie gehen in ein Haus der gehobenen Mittelklasse am Stadtrand von Washington D.C.“ Jetzt muss ich mir Gedanken darum machen, wie die Möbel aussehen und was die Leute anhaben und wie viel sie verdienen und so weiter. Das war alles sehr neu und interessant für mich. Und im Fernsehen muss man alles zeigen und wenig erklären, aber in einem Buch muss man viel mehr erzählen, und zwar nicht nur durch Dialoge. Das war ziemlich schwierig für mich.

 

  1. Haben Sie das im Überarbeitungsgang eingefügt? Also zuerst eine Struktur verfasst wie bei einem Drehbuch und dann bei der Überarbeitung die Details hinzugefügt?

Ich habe zuerst eine Kurzfassung erstellt, denn das ist mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. Beim Fernsehen muss man nämlich ab und zu schon mal die Budgetgröße angeben können, obwohl noch gar kein fertiges Skript vorliegt. Also habe ich eine Zusammenfassung gemacht, die sich allerdings als viel zu kompliziert herausstellte. Ich hatte völlig überschätzt, wie viel Handlung ich brauche, obwohl ich sehr viel lese. Ich dachte, es müsste viel mehr sein als für eine Stunde Fernsehen, aber so viel mehr ist es gar nicht, in Fernsehzeit vielleicht Handlung für anderthalb Stunden. Also musste ich wieder eine Menge löschen. Dann habe ich in der Gegenwart geschrieben, weil ich das 25 Jahre lang für die Drehbücher so gemacht habe. Allerdings ist die Erzählzeit in meinem Buch nicht die Gegenwart. Ich weiß, dass es auch solche Bücher gibt, aber meins war keins davon. Jedes Kapitel beginnt zwar in der Gegenwart, wechselt dann aber in die Vergangenheit. Und das habe ich nur getan, damit die Drehbuchgötter mich nicht verfluchen. Reiner Aberglauben. Aber Prosa zu schreiben, was die Leute denken und all diese Einzelheiten, das hat mir viel Spaß gemacht.

 

  1. Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Autor jetzt bei Null anfangen müssen, weil es ein komplett neues Betätigungsfeld ist, obwohl Sie schon so viel Erfahrung im Schreiben vorweisen können?

Ja und Nein. Ich kann wirklich gut tippen, das ist schon mal ein Vorteil. Meine Muskeln sind super darauf trainiert. Ich habe außerdem viel Erfahrung damit, die schriftstellerische Arbeit anderer zu adaptieren. Wie bei Kathy [Reichs]. Bones basiert ja mehr auf Kathy, nicht auf ihren Büchern, aber ich habe alle ihre Bücher gelesen und sie analysiert, genau wie bei den Büchern von Harlan Coben oder die eines schwedischen Autors für Backstrom. Ein Buch in seine Einzelteile zu zerlegen und dann als Drama wieder zusammenzusetzen ist eine tolle und sehr wertvolle Lernerfahrung. Davon abgesehen, als ich mich hingesetzt habe, um den Roman zu schreiben, war mir ganz deutlich bewusst, dass ich nichts als gegeben voraussetzen darf, nur weil ich beim Fernsehen erfolgreich war. Das muss sich nicht unbedingt 1:1 auf das Buch übertragen. Es war gleichzeitig beängstigend und aufregend, etwas völlig Neues auszuprobieren. Bisher waren alle Reaktionen auf das Buch sehr freundlich. Mal sehen, ob die Leser es auch gut finden werden. Ich bin wirklich gespannt.

 

  1. Vermutlich werden Sie jetzt mehr in den Blickwinkel der Öffentlichkeit rücken, oder? Wir haben vor dem Interview darüber gesprochen. Sie haben mir erzählt, dass Sie immer lieber im Hintergrund geblieben sind. Als Autor werden Sie vermutlich eher im Fokus der Leser stehen. Auch das ist neu.

Und genau das weiß ich eben noch nicht. Ich weiß, dass Kathy das mit Bravour meistert, genau wie Harlan Coben. Ich muss normalerweise nur vier Mal im Jahr in der Öffentlichkeit erscheinen, für bestimmte Fernsehveranstaltungen. Ich nehme dort zwar auch an öffentlichen Diskussionsrunden teil, aber ich habe noch nicht die geringste Ahnung, ob das vergleichbar ist. Das wird eine sehr spannende Erfahrung.

 

  1. Meine letzte Frage: Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihr Buch.

Es ist eigentlich eine typische Hollywoodgeschichte. Ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen die Hintergründe erzählen sollte, denn ich komme dabei nicht besonders gut weg. Wenn man zu diesen Fernsehveranstaltungen führt, dann wird man von einer Limousine abgeholt. Der Sender will auf Nummer sicher gehen, dass ich auch wirklich auftauche und nicht einfach nach Hause fahre. Im Auto sitze ich gern einfach da, ohne mich zu unterhalten. Deshalb stecke ich mir Kopfhörer in die Ohren, sobald ich einsteige. Wenn der Fahrer dann mit jemandem geredet oder telefoniert hat, habe ich meine Musik abgestellt und gelauscht. Und da wird dir klar, dass jeder dieser Fahrer eine Geschichte hat. Mindestens zwei von ihnen waren Polizisten oder Kriegsveteranen, denen etwas mächtig zu schaffen machte. Und ich muss zugeben, es ist nicht die feine Art, jemanden, der leise über seine Probleme spricht, zu belauschen. Aber dadurch kam ich auf die Idee für mein Buch über einen Kriegsveteranen, der einen Limousinenservice gründet, damit er auch anderen Kriegsheimkehrern einen Job geben kann, die sich mit der Rückkehr ins zivile Leben schwer tun. Ich habe nämlich über Veteranen gelesen, die genau so etwas machen. Der Protagonist in „The Driver“ heißt Michael Skellig, ehemalige Spezialeinheit. Er fährt seine Limo in Los Angeles umher und dann versucht jemand, seinen Klienten zu töten, sodass er in die Geschichte mit hineingezogen wird. Hoffentlich verkauft sich die Geschichte gut, denn ich habe noch viele Ideen für diese Figur.

Ursprünglich hatte ich vor, ein ernsthaftes, actionreiches Buch im Noir-Stil zu schreiben. Aber plötzlich wurde mein Protagonist witzig, und auch die Menschen, mit denen er sich umgibt, konnten trotz ihres Schmerzes fröhlich sein. Also geriet mein Buch eher komischen Stil von Carl Hiaason statt im dunklen Stil von Michael Connelly.

Und das ist mein Buch. Ein witziges, gelbes Buch.

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